In ihrem Buch „Corona 2020 – Zerreißprobe für die Gesellschaft?“ untersuchten die Ilmenauer Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler um Prof. Jens Wolling anhand mehrerer repräsentativer Befragungen, wie die deutsche Bevölkerung die vielfältige Krise wahrnimmt, welche Gefühle und Einstellungen die Menschen mit Fortschreiten der Krise entwickeln und wie sie sich angesichts der Bedrohungen und Einschränkungen verhalten. Sie analysierten zudem, wie die Bevölkerung die Berichterstattung der Medien genutzt, wahrgenommen und bewertet hat.
Eine Krise, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens durchdringt und selbst vor dem Privatleben der Menschen nicht haltmacht, kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt akut gefährden. Selbst für eine stabile Demokratie wie der deutschen ist die Corona-Krise gefährlicher Sprengstoff. Der explosive Cocktail besteht aus einer unkalkulierbaren Überlastung des Gesundheitssystems kombiniert mit massiven Eingriffen in bisher selbstverständliche Freiheitsrechte und der Gefahr einer schweren ökonomischen Rezession und erheblicher sozialer Verwerfungen.
Trotz der brisanten Ausgangslage „hat die Gesellschaft in Deutschland während des ersten Krisenjahres weitgehend zusammengehalten“, so das Resümee der Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der TU Ilmenau. Die große Mehrheit der Bevölkerung bringt den Medien während der Krise Vertrauen entgegen und hält die Berichterstattung für korrekt und daher glaubwürdig. Die Auswertungen des Forscherteams verdeutlichen, dass es den journalistischen Medien während des gesamten ersten Krisenjahres gelungen ist, den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürgern größtenteils zu entsprechen und ihnen vertrauenswürdige Informationen zu vermitteln. Diese Leistung ist, so die Forscher, auch für die gesellschaftliche Bewältigung der Krise von großer Bedeutung.
Allerdings ergaben die Befragungen auch einige kritische Punkte. Eine Mehrheit der Befragten war insbesondere in Bezug auf die sozialen Aspekte der Krise der Ansicht, die Politik tue zu wenig und die Medien berichteten zu wenig. Entsprechend wünschen sich die Befragten – so ergab die Frage nach den Erwartungen an die Weiterentwicklung der Gesellschaft nach der Pandemie – eine Politik der sozialökologischen Erneuerung: Mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Umweltschutz und klare Grenzen für einen ungezügelten Markt. Insgesamt solle die Corona-Krise für gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden. Die größte Zustimmung findet ein Zukunftsentwurf, unser Leben in einer modernen, entwickelten Gesellschaft zu verbessern: Bessere Ausstattung der Bildungs- und Gesundheitssysteme, schnelles Internet und, mit Abstrichen, eine Ankurbelung des Konsums.
Rückwärtsgewandte Positionen eines populistischen Revisionismus finden hingegen deutlich weniger Anhänger. Eine Politik der Abschottung und die ideologisch motivierte Überbetonung individueller Rechte gegenüber kollektiver Verantwortung sind in Deutschland nicht mehrheitsfähig. Stattdessen hat die Corona-Pandemie nach Ansicht der Ilmenauer Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler das Potential, einen gesellschaftlichen Aufbruch anzustoßen, der dazu beitragen könnte, gesellschaftliche Verkrustungen aufzubrechen.
Das Autorenteam bestand aus den Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der TU Ilmenau Jens Wolling, Christoph Kuhlmann, Christina Schumann, Priscila Berger und Dorothee Arlt
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