Fragile Balance
Das Stromnetz ist ein komplexes Konstrukt, aus dem immer so viel Energie entnommen werden muss, wie eingespeist wird – ansonsten verändert sich die Netzfrequenz. Eine zu hohe oder zu niedrige Frequenz ist wiederum schädlich für elektronische Geräte. Das heißt, Netzbetreiber brauchen Mittel und Wege, um entweder zusätzlichen Strom einzuspeisen, wenn die Frequenz zu niedrig ist oder zusätzliche Lasten ans Netz zu bringen, wenn sie zu hoch ist. Das war prinzipiell schon immer so, durch die Energiewende ändert sich allerdings die Art und vor allem auch Geschwindigkeit, wie diese Antwort auf Frequenzänderungen zu erfolgen hat.
Bisher ist die Leistungsanpassung im europäischen Verbundsystem in Primär-, Sekundär- und Tertiärregelleistung sowie den längerfristigen Bilanzkreisausgleich eingeteilt. Jedem dieser Bereiche sind verschiedene Zeithorizonte zugeteilt. Kraftwerke, die an der Primärregelung teilnehmen, müssen die dafür vorgesehenen Zusatzkapazitäten binnen 30 Sekunden erbringen können.
Im Zeitraum bis diese Leistung zur Verfügung steht, kann bei der Wechselstromerzeugung ein kurzfristiger Ausgleich über die sogenannte Momentanreserve erfolgen. Dabei handelt es sich um gespeicherte kinetische Energie in Schwungmassen von Generatoren und mit ihnen gekoppelten Strömungskraftmaschinen, wie Wasser-, Gas- oder Dampfturbinen. Die Trägheit dieser großen Massen nivelliert in der traditionellen Stromerzeugung ein sogenanntes Totband von +- 10 mHz, innerhalb dessen keine Regeleingriffe erfolgen.
Pufferwirkung des Netzes nimmt ab
Diese Art von natürlichem Puffer durch Trägheit der rotierenden Massen fehlt bei der Stromerzeugung mit Solar- und Windkraftanlagen. Im Bereich der Sonnenenergie wird nach dem photovoltaischen Prinzip direkt Gleichstrom erzeugt, rotierende mechanische Komponenten gibt es dabei gar nicht. Um Solarkapazitäten ans Netz anzuschließen, muss zunächst eine Umwandlung in Wechselstrom erfolgen. Bei Windkraftanlagen muss sogar eine doppelte Umwandlung stattfinden, um den Netzanschluss zu gewährleisten. Da die Rotoren je nach Wetterlage schneller oder langsamer laufen, ergibt sich eine volatile Frequenz des erzeugten Stroms. Diese muss dann erst mittels eines AC-DC-AC-Umrichters an die Netzfrequenz angeglichen werden.
Letztlich wird also sowohl bei Solar- als auch bei Windkraftanlagen die Frequenz des Outputs vor der Einspeisung ins Netz künstlich erzeugt, während sie bei traditionellen Synchrongeneratoren, die mit fester Drehzahl laufen, natürlich gegeben ist. Der künstlichen Frequenz fehlt dann dementsprechend auch der Puffer durch die rotierenden Massen. Je größer der Anteil von Gleichstrom-, bzw. asynchroner Erzeugung im Strommix wird, desto mehr Momentanreserve geht verloren und es muss ein Ersatz für diese Pufferwirkung gefunden werden, die ohne Zeitverzögerung sofort zur Verfügung steht, um bereits im (Milli-) Sekundenbereich regelnd einzugreifen. Das bezeichnet man als Fast Frequency Response (FFR).
Batterien als Reserve
Batterien sind dafür optimal geeignet, da sie schnell reagieren und bidirektional arbeiten können, das heißt, sie können je nach Bedarf kurzfristig Leistung aus dem Netz abrufen oder einspeisen. Batterien können nur zu diesem Zweck direkt bei den Erzeugern stehen und mit den Wind- oder Solaranlagen zusammen ein virtuelles Kraftwerk bilden. Dieses System kommt allerdings eher für größere Erzeuger in Frage. Die Energiewende wird aber auch auf vermehrte dezentrale Erzeugung angewiesen sein, die direkt ins Netz eingespeist wird. Das heißt, dass Netzbetreiber Möglichkeiten zur Regelung im Bereich der FFR brauchen. Dafür könnten sie selbst dezidierte Batteriespeicher aufbauen oder auf ohnehin vorhandene zurückgreifen. Beispielweise sind in einem ausreichend großen Netz immer Elektrofahrzeuge an Ladesäulen angeschlossen. Durch bidirektionales Laden könnten ihre Batterien auch als Puffer genutzt werden. Ein weiteres Beispiel für Batterien, die ohnehin vorhanden sind, sind die Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) in Rechenzentren. Da die Regelzeiträume im Rahmen der FFR äußerst gering sind (<1 s bis wenige Sekunden), wird in beiden Fällen die Grundfunktionalität nicht beeinträchtigt. Zu längerfristigen Entladungen kommt es nicht.
Das Stromnetz der Zukunft wird sich nicht mehr wie bisher in weiten Teilen selbst regulieren. Netzbetreiber benötigen daher Flexibilitätsressourcen, über die sie praktisch verzögerungsfrei verfügen können, um auch kurzfristig einzugreifen. Dafür bietet sich eine Kooperation mit den Betreibern von Ladeinfrastruktur oder Rechenzentren an, die große Batteriekapazitäten bündeln.
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