Gentherapeutika fügen Erbinformation in Körperzellen einer Patientin oder eines Patienten ein, um einen therapeutischen Nutzen zu erzielen. Dabei werden therapeutische Gene in die Zellen eingeschleust, wo sie zuvor gestörte Funktionen kompensieren oder neue Funktionen erfüllen, wie etwa Tumorzellen zu erkennen. Zugelassene Gentherapeutika, zum Beispiel für die Behandlung fortgeschrittener hämatologischer Krebserkrankungen oder spinaler Muskelatrophie, zeigen in der Praxis bereits eine sehr gute Wirksamkeit.
Für den Gentransfer gibt es verschiedene Methoden. Virale Vektoren kommen besonders häufig zum Einsatz. Es handelt sich um veränderte, nicht-vermehrungsfähige Viren, die auch als Genfähren oder virale Vektoren bezeichnet werden. Diese Genfähren beruhen oft auf vermehrungsunfähigen Lentiviren oder Adeno-assoziierten Viren (AAV). Vor allem letztere werden häufig eingesetzt, wenn die in vivo erzielte genetische Modifizierung von Körperzellen nur für kurze Zeit erfolgen soll.
Für die präklinische Entwicklung neuer Gentherapeutika sind geeignete Tiermodelle von großer Wichtigkeit. Das Einschleusen von Genen in weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) von Mäusen stellte bisher aufgrund einer niedrigen Effizienz und einer fehlenden Zelltypspezifität eine große technische Herausforderung dar. Das Team um Prof. Dr. Christian Buchholz, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Biotechnologie und Gentherapie am Paul-Ehrlich-Institut, stellte sich dieser Herausforderung. Dabei fokussierten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf CTL, die den Zelloberflächenmarker CD8 tragen.
CTL können selektiv Körperzellen zerstören, die beispielsweise mit einem Krankheitserreger infiziert oder zur Krebszelle entartet sind. Da CTL eine entscheidende Rolle im Immunsystem spielen, besteht ein großer Bedarf an Genfähren, die eine effiziente Genübertragung in diesen Zelltyp ermöglichen.
Die Arbeitshypothese der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war, dass eine effiziente und gezielte Ansteuerung von CTL durch Genfähren durch Ausrichtung von AAV-Vektoren auf den CD8-Oberflächenmarker von CTL eine vielversprechende Strategie darstellen könnte.
Dazu haben die Forschenden sogenannte Ankyrin-Repeat-Proteine (Designed Ankyrin Repeat Proteins, DARPins) erzeugt, die an das CD8-Molekül von Mäusen binden. Dabei trägt der virale Vektor die CD8-bindenden DARPins auf seiner Oberfläche und dockt mittels CD8-Bindung an die Zielzelle an. Die resultierenden neuartigen Genfähren sind in der Lage, Maus-CTL mit einer sehr hohen Effizienz und einer Selektivität von über 99% genetisch zu modifizieren. Dies war insbesondere für die AAV-basierten Genfähren überraschend, da diese in ihrer bisherigen Form kaum in der Lage sind, Gene in Maus-CTL zu übertragen. Die nun beschriebenen Genfähren sind nicht nur deutlich effizienter, sondern erstmals hochspezifisch für CTL der Maus. Die Bedeutung dieser Entdeckung geht über diesen Zelltyp hinaus, da die Zelltypspezifität der Genfähren durch Austausch des Ankyrin-Repeat-Proteins beliebig geändert werden kann. Diese neue Klasse von AAV-Genfähren wird nun als DART (designed ankyrin repeat targeted)-AAV bezeichnet.
Die Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der CD8-bindenden DARPins spezifische und leistungsstarke Genfähren für den gezielten Gentransfer in CTL der Maus entwickelt werden konnten. Das Fazit von Prof. Dr. Buchholz: "Die Effizienz der neuen Werkzeuge hat uns überrascht. Sie könnten daher einen wichtigen Meilenstein für die Entwicklung zukünftiger Gentherapien im immuntherapeutischen Bereich darstellen".
Originalpublikation
Michels A, Frank AM, Günther DM, Mataei M, Börner K, Grimm D, Hartmann J, Buchholz CJ (2021): Lentiviral and adeno-associated vectors efficiently transduce mouse T lymphocytes when targeted to murine CD8.
Mol Ther Methods Clin Oct 1 [Epub ahead of print].
Online-Abstract
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