Verglaste Bauelemente sind in der Architektur eine beliebte Methode, um Licht in ein Gebäude zu lassen. So lässt sich das umweltfreundliche Tageslicht besser nutzen, und es wird weniger künstliche Beleuchtung benötigt. Um diesen Vorteil zu maximieren, sollten aus den Glaselementen jedoch möglichst ganze Wände für die Gebäudehülle gebaut werden, was voraussetzt, dass die Elemente über eine wirksame Wärmedämmung verfügen und eine gewisse Last tragen können – eine Kombination, die so auf dem Markt bislang nicht verfügbar war.
Beide Anforderung erfüllt: hochdämmend und lichtdurchlässig
Silikat-Aerogele sind thermische Hochleistungsdämmstoffe, die im Bausektor zunehmend Verbreitung finden. Am gebräuchlichsten sind undurchsichtige Dämmmatten und -putze. Empa-Forscher Jannis Wernery und seine Kollegen aus der Abteilung «Building Energy Materials and Components» hatten bereits 2017 die Idee, den Dämmstoff direkt in einen Baustein zu integrieren und stellten einen neuartigen, mit Aerogel gefüllten Ziegelstein vor, den sogenannten «Aerobrick». Dieser spart dank seiner hervorragenden Wärmedämmung Heizkosten – ganz ohne zusätzlich auf das Mauerwerk aufgebrachte Dämmschicht.
Aerogel kann jedoch auch nahezu transparent sein, was ein lichtdurchlässiges, isolierendes Bausystem ermöglicht. Um das auszunutzen und die Dämmleistung des «Aerobrick» noch weiter zu verbessern, entwickelten Wernery, Michal Ganobjak und Co. ein neuartiges modulares Bauteil auf der Basis von Floatglas und Silikat-Aerogel-Granulat, das beide Eigenschaften vereint – es ist lichtdurchlässig und wärmedämmend: der Aerogel-Glasbaustein.
Die mit lichtdurchlässigem Aerogel-Granulat gefüllten Glasbausteine lassen den Bau von ästhetisch ansprechenden und sogar tragenden Fassadenelementen zu, die einen grossflächigen Tageslichteintrag ermöglichen. Diese Kombination von Festigkeit, Dämmung und Lichtdurchlässigkeit erreichten die Empa-Forschenden durch versetzte Abstandshalter zwischen den Glasscheiben innerhalb des Glasbausteins, die die statische Stabilität bei minimalem Wärmedurchgang gewährleisten.
Der Glasbaustein hat eine gemessene Wärmeleitfähigkeit von 53 mW/(m∙K) und eine Druckfestigkeit von fast 45 MPa. Dies ist die höchste Dämmleistung eines Ziegels, die in der Fachliteratur, geschweige denn auf dem Markt zu finden ist. Gleichzeitig kommt die Eigenschaft der Lichtdurchlässigkeit hinzu.
Vielfältige Anwendungen im Blick
Der Aerogel-Glasbaustein eignet sich für Anwendungen, in denen gleichzeitig Anforderungen an hohen Tageslichteintrag, Blendschutz und Schutz der Privatsphäre bestehen, etwa in Büros, Bibliotheken und Museen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass eine Gebäudehülle aus solchen Glassteinen das Gebäudeinnere in Sachen Tageslicht an den Aussenraum koppelt. Dies kann sich positiv auf den Tagesrhythmus der Gebäudenutzer auswirken. Mögliche Anwendungen sind etwa
- Räume, die keine Sichtverbindung nach aussen haben sollen, zum Beispiel aus Gründen der Privatsphäre, der Sicherheit oder der Vermeidung von Störungen, aber dennoch diffuses Tageslicht ins Innere lassen sollen, also etwa Bibliotheken, Galerien, Museen, Foyers, Büros, Treppenhauskerne, Turnhallen, Mehrzweckhallen, Wohnhäuser oder Kunstwerkstätten
- Räume, in denen Tageslicht für einen gesunden zirkadianen Rhythmus notwendig ist, wie Wohnheime, Krankenhäuser und Sanatorien, aber auch Zoos, Ställe und Tierzuchten bis hin zu Gewächshäusern
- Orte, an denen ein Maximum an Tageslicht eingebracht und Platz gespart werden soll, etwa in dicht bebauten Stadtquartieren mit Hochhäusern und vielen Stadtwohnungen
- Architektonische Elemente wie Trombe-Wände in der Solararchitektur, in Innenhöfen oder Atrien, die aus der Infrarotstrahlung des Sonnenlichts Wärme generieren
Eine Analyse der Materialkosten zeigt, dass der Isolierglasbaustein in solchen Anwendungen durchaus wettbewerbsfähig sein kann. Der Glasbaustein bietet somit der Architektur neue Gestaltungsmöglichkeiten für mehr Tageslicht in Gebäuden – und zwar sowohl für Neubauten als auch bei Renovierungen. Die Forschenden haben den Aerogel-Glasbaustein inzwischen zum Patent angemeldet und sind auf der Suche nach möglichen Industriepartnern.
Das Projekt wird durch die Velux Stiftung, Projekt Nr. 1440 zur Entwicklung eines hochdämmenden, transluzenten Glassteins für diffusiven Tageslichteintrag unterstützt. Die Projektidee wurde mit Unterstützung durch das Horizon 2020 Research and Innovation Programm der Europäischen Union im Rahmen der Marie Skłodowska-Curie Actions, Vertragsnummer 746992, erarbeitet.
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